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Wen(n) Pharmazie krank macht – Hoffen ohne Absatzmarkt

Januar 24, 2012

Thrombotische-Thrombozytische Purpura – oder: M. Moschcowitz

Für ca. 5000 Patienten in Deutschland bedeutet der Name dieser Krankheit sehr viel, für einige sogar das Leben, für die meisten anderen hingegen wahrscheinlich gar nichts außer Fachchinesisch. Der Grund ist einfach: sie ist selten.

Bei dieser Krankheit handelt es sich um eine Blutkrankheit, die sich in den Gefäßen unseres Blutkreislaufes abspielt. Ihr zu Grunde liegt eine falsche Abwehrreaktion des Körpers.

ADAMTS-13 – Normalerweise funktioniert das grob so:

In unser Gefäßsystem wird ein sehr großer, klebriger Klumpen abgegeben, der rechtzeitig in viele kleinere Teilchen gespalten wird (vWF). Das Werkzeug, welches diesen riesigen Klebstoff-Klumpen zerschneidet, heißt ADAMTS-13 und ist ein Enzym.

vWF lagert sich nun in die Gefäßwände ein und wird wieder besonders wichtig wenn wir uns verletzen. Dann können sich die Blutplättchen an die vielen kleinen vWF-Teile anheften und so nach und nach die Wunde verschließen, ohne dass wir übermäßig viel Blut verlieren müssen.

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Abb. 1

Bei der TTP bildet der Körper nun – aus noch recht unbekannten Gründen – Abwehrstoffe gegen ADAMTS-13 aus, die großen, klebrigen Klumpen können nicht mehr zerschnitten werden und verbleiben in den Gefäßen. Die Folge ist, dass unsere Blutplättchen jetzt schon an den Brocken hängen bleiben und anfangen die kleineren Gefäße zu verstopfen, die Organe des Körpers werden unterversorgt und können so nicht mehr arbeiten. Rote Blutkörperchen bleiben an den Verschlüssen hängen und platzen.

Irgendwann geht dann gar nichts mehr und aufgrund des hohen Verbrauchs an Blutplättchen und anderer wichtiger Stoffe, blutet man an allen möglichen Stellen selbst ohne Verletzung und mit erst recht.

Typisch sind Hautflecken, besonders gefährlich sind Hirnblutungen, die zum Tod führen können.

Diesen Patienten geht es richtig schlecht.

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Abb. 2

Der Schlüssel dieses Elends ist also ein alter Bekannter: ADAMTS-13.

Zwar sterben seit 1994 (90%) heute weitaus weniger Menschen an den Folgen dieser Krankheit, dennoch bedeutet sie für immerhin noch 20%, also jeden 5. Patienten, das Ende. Dank heutiger Methoden und Therapieansätzen ist die Zahl glücklicherweise nicht mehr höher, das Risiko eines Rückfalls jedoch unbekannt.

Also warum geben wir diesen Patienten nicht einfach mehr von diesem ADAM…Dingsbums…dann müssten sie doch eigentlich bessere Chancen haben oder?

Ja…wahrscheinlich wäre das so. Unter Laborbedingungen konnte man mithilfe zugeführter Enzyme eine erhebliche Verbesserung des Verlaufs feststellen.

Also warum tun wir das nicht? Warum gibt es nicht schon ein solches Medikament?

Tja, liebe Individuen…an dieser Stelle heißt Sie die Pharmaindustrie recht herzlich in der Welt der Gewinnmaximierung und des wirtschaftlich effizienten Forschens willkommen.

Leider gehören Sie zu der viel zu kleinen Zahl, die die Pharmakonzerne sicher nicht mehr reicher machen wird. An einer solchen Investition weiter zu forschen, lohnt sich einfach nicht, der Gewinn wäre viel zu gering, der Markt unbedeutend klein; eine Investition ohne Zukunft.

Und genau darum geht es doch schließlich in der Medikamentenentwicklung…

TTP-Forum

http://www.ttp-forum.de/

Abb.1: http://www.google.de/imgres?imgurl=http://www.hematologiegroningen.nl/patienten/includes/getImage.php%3Fdir%3D3TTP%26file%3DTTP05.gif&imgrefurl=http://www.hematologiegroningen.nl/patienten/content/3TTP.htm&usg=__XBRCZ3eJaxH0FU3A4Ly1sHFvPvY=&h=338&w=450&sz=50&hl=de&start=15&zoom=1&tbnid=LStre1afI-4yIM:&tbnh=137&tbnw=183&ei=d_MdT4H7KsHusgaNo-nFDA&prev=/search%3Fq%3DADAMTS%2B13%26um%3D1%26hl%3Dde%26sa%3DN%26biw%3D1024%26bih%3D653%26tbm%3Disch&um=1&itbs=1&iact=hc&vpx=217&vpy=252&dur=4&hovh=194&hovw=259&tx=131&ty=165&sig=116761414450094150301&page=2&ndsp=20&ved=1t:429,r:6,s:15

Abb.2: http://www.google.de/imgres?imgurl=http://www.hematologiegroningen.nl/patienten/content/fig/TTP06.gif&imgrefurl=http://www.hematologiegroningen.nl/patienten/content/3TTP.htm&usg=__JaGAbSXraZq4_Xbt5Q3tie9HTws=&h=338&w=450&sz=49&hl=de&start=0&zoom=1&tbnid=G-t_T2WRsOmw3M:&tbnh=133&tbnw=177&ei=d_MdT4H7KsHusgaNo-nFDA&prev=/search%3Fq%3DADAMTS%2B13%26um%3D1%26hl%3Dde%26sa%3DN%26biw%3D1024%26bih%3D653%26tbm%3Disch&um=1&itbs=1&iact=hc&vpx=280&vpy=4&dur=655&hovh=194&hovw=259&tx=152&ty=89&sig=116761414450094150301&page=1&ndsp=15&ved=1t:429,r:11,s:0

2 Kommentare
  1. Matthias Weber permalink

    Deine These ist sehr anschaulich beschrieben und ich finde gut dass du es ansprichst.
    Leider geht es in den meisten Fällen darum, dass der Stärkste bestimmt was er für wertvoll hält und wer es in diesem Fall nicht wert ist. Profit ist das Nonplusultra was den Zeitgeist des bisherigen Jahrhunderts nunmal bestimmt.

  2. Mr. Gaunt permalink

    Bin über Medizynicus hier gelandet und musste als Apotheker natürlich reflexartig auf den Link klicken, in dem das Wort „Pharmazie“ vorkommt. Und schon stosse ich mal wieder auf eine sehr simple Darstellung, wo die böse Pharmaindustrie mal wieder schuld ist.
    Arzneimittelentwicklung ist extrem teuer und langwierig, bis man endlich ein taugliches Medikament in der Hand hält. Bei biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln, wie sie im oben beschriebenen Beispiel notwendig wären, ist die Herstellung ebenfalls sehr komplex und teuer. Niemand käme auf die Idee, den Gemüsehändler um die Ecke böse anzumachen, weil er nicht mehr für Tausende von Euros eine spezielle exotische Frucht einfliegen lässt, die er nur einmal im Monat für 10 Euro an einen einzelnen Fan dieser Frucht verkauft. Das ist normale Marktwirtschaft und nicht verwerflich.
    Die Wirklichkeit sieht außerdem nicht so schwarz-weiss aus. Für seltene Krankheiten gibt es die Möglichkeit, Arzneimittel als „Orphan Drug“ in den Markt zu bringen, dabei erhält die Firma verschiedene Vorteile (Zulassungserleichterung, Exklusivität,…). Es gibt kleinere Firmen, die sich auf orphan drugs spezialisiert haben und die davon auch leben können. Auch grosse Pharmafirmen bringen orphan drugs in den Markt. Außerdem existieren verschiedene Programme bei den großen Pharmafirmen, die z.B. für arme Bevölkerungsgruppen auf neue Weise den Zugang zu lebenswichtigen Arzneimitteln erleichtern, indem sie mit der Bill & Melinda Gates Foundation zusammenarbeiten.
    Natürlich bekleckern sich die Firmen nicht alle ausschließlich mit Ruhm und es wird auch zukünftig immer mal wieder ein Bestechungsfall oder etwas ähnlich Negatives an’s Tageslicht kommen. Die Pharmaindustrie aber pauschal zum Buhmann zu machen, weil sie nicht jedes verlustbringende Präparat auf den Markt bringt, bleibt weiter absurd.

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